Bei der Planung unserer Überfahrt von Lissabon nach Madeira hatten wir 2 Alternativen im Auge: Die eine zielte von Lissabon direkt nach Westen, um den Orcas zu entgehen und schnellstmöglich die Nordwinde zu erreichen. Die zweite zielte nach Süden, sich im spitzen Winkel von der Küste entfernend, um möglichen Wellenbergen auf dem Atlantik zu umgehen. Je nach Wetterentwicklung.
Pro's und Con's
Die erste Alternative bringt uns möglichst schnell von den durchgeknallten Orcas weg, kann aber sehr hohe Wellen mit sich bringen. Die zweite Alternative birgt die Gefahr der Orcas vor der portugiesischen Küste hält uns aber im Wellenschatten der Atlantiktiefs. Je nach Wetterlage ist mal die eine und mal die andere richtiger. Die Richtige gibts hierbei eher nicht, oder ?
Abfahrt war geplant am Montag. Montag morgen aufstehen, herausgucken und …. Regen, Gewitter und Wetterleuchten. Danach ein Blicke in Seaman Pro, unserer Wettersoftware an Bord. Der Streckenwetterbericht bei Abfahrt am Montag: Grütze soweit das Auge reicht: Viel Wind, Welle bis 3,8mtr und Gewitter sowie Regen. Alternative gesucht ! Wir spielen unsere Routing-Alternativen durch. Tag wechseln, Alternative wechseln … Danach kommen wir zu dem Ergebnis, wir fahren einen Tag später, also am 11.10 auf Alternative 2 ! Danach Mail an den Zielhafen: Wir werden einen Tag später ankommen !
Gewählt und Gewonnen !
Die Abfahrt am 11.10 gestaltet sich, wie im Streckenwetter prognostiziert, als sonnig und schwach windig. Wir legen um 10:00 ab und dieseln erstmal wie im Streckenwetter bereits zu sehen war. Viele andere Yachten laufen mit uns aus. Zunächst als Perlenkette, dann trennen sich die Wege. Alternative 1 biegt nach Westen ab, die Alternative 2 bleibt auf Südkurs.
Wind soll erst ab 17:00 aufkommen. Fast pünktlich um 16:30 kommt Wind auf. Was für eine Vorhersage ! Whow, Kompliment an die Jungs und Mädels der Wetterwelt. Die Präzision der Prognose sollte im gesamten Streckenverlauf auch so perfekt bleiben. Wir setzen Segel ! Zunächst nur die Genua um abzuwarten wie sich das Wetter entwickelt. Schliesslich misstraut ein Schwabe allem, auch dem Wetterbericht. 15Kn raumer bis vorlicher Wind. Also die Genua raus, auf Vollzeug. Da würde uns das Großsegel ohnehin nicht helfen. Schattet sonst die Genua ab. Schön an der prognostizierten Kante der hohen Welle vorbei. Klappt perfekt !
Auf dem Breitengrad von Lagos sollten die Wellenberge an uns vorbei sein. Wir drehen auf SW Kurs: 235°. Anlieger auf Madeira ! Noch gute 400NM. Zwischenzeitlich frischt der Wind auf 20 bis 30 Knoten auf. Die BELUGA trägt die Genua noch immer voll, ohne Reff, ohne Schräglage bei achterlichem Wind. Wir rauschen mit über 8kn teilweise mit über 11kn Fahrt durch den Atlantik. Das Großsegel bleibt wegen Abschattung der Genua geborgen. Im Streckenwetter hatten wir für Mittwoch Welle bis 2,5mtr vorhergesagt. Jedoch aufgrund der Seegangszeiten konnten wir mit einer langen Welle rechnen. Genau so trat es ein. Am Mittwoch war „Waschtag“. Wir kamen uns vor wie im Hauptwaschgang. Auf und Nieder immer wieder … so hamas gestern gmacht, so mach mers heut. War jedoch kein Problem, die BELUGA bleibt Vorwind stabil auch in 30kn Böen. Wie prognostiziert klang die Welle ab Donnerstag zunehmend ab. Zwischenzeitlich haben wir Etmale von über 170NM gesegelt, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 7kn entspricht … und das: nur mit Genua.
Hello again !
In der Nacht zum Donnerstag geht ein AIS Alarm los ! Ein anderes Schiff kreuzt unsere Kurlinie mit weniger als 1 NM Abstand ! Blick auf unseren Kartenplotter zu Identifizierung des Schiff, welche die "Dreistigkeit besitzt uns zu wecken“ ! Das Ergebnis löst eine Lachtirade aus: Unsere Kurslinie wird vom Katamaran „PIRI PIRI“ gekreuzt. Die PIRI PIRI lief in Lissabon eine halbe Meile hinter uns aus. Dort bog sie aber bald nach Westen ab. Vermutlich um die Nordwinde der Alternative 1 auszunutzen. „Haben die denn nicht auch die Wellenprognose gesehen ?“ schoss mir in Lissabon durch den Kopf. Nach ca. 300NM einen Katamaran auf Vorwindkurs wieder zu treffen, bedeutet für eine dicke Lady wie die BELUGA einen Ritterschlag ! Wir haben das Gefühl die BELUGA ist auch um einige Zentimeter gewachsen :-)) Auch ich bin sehr stolz die offensichtlich richtige Wahl des Routings getroffen zu haben. Zumindest stellt Sabine anerkennend fest, dass wir bislang auf allen Langstrecken erstaunlich „akzeptable Bedingungen“ hatten. Für alle NICHT- Schwaben: Eine solche Bemerkung aus dem Mund eines Schwaben ist als Euphorieausbruch zu deuten. Ich deute dies also auch für mich als Ritterschlag :-))
Theorie und Praxis
Im weiteren Verlauf des Donnerstags stellen wir fest, dass wir am Freitag – statt wir geplant am Samstag - ankommen könnten, wenns so weiter läuft. Unser B&G Kartenplotter zeigt eine ETA (Estimated Time of Arrival) an. Offensichtlich wurden diese ETA von Daysailorn umgesetzt, da eine Uhrzeit, aber kein Datum angezeigt wird. Offensichtlich muss das jemand entwickelt haben, bei dem Segeln immer "Abfahrt und Ankunft am gleichen Tag" bedeutet. Anders können wir uns das nicht erklären.
Endspurt im Atlantik
Am Donnerstag Nachmittag hatten wir noch 120NM bis zum Ziel. Das sollten wir bei den Bedingungen locker erreichen. Am Freitag lässt uns der Wind dann auch den letzten Meilen ein wenig im Stich. Wir haben „nur noch“ 10-15kn Wind. Die Welle ist dadurch zwischenzeitlich weg. Wir starten den Diesel. Schließlich wollen wir Freitag bei Tageslicht ankommen. Gegen 09:00 haben wir vor Porto Santo dann Internet an Bord. Kurze Mail an den Zielhafen „Quinta do Lorde“: Wir kommen doch nicht erst Samstag, sondern bereits am Freitag. Antwort: Welcome ! See you later …
... and finally ...
Gegen 16:00 liegen wir in Quinta do Lorde fest. Müde aber glücklich. Wir haben einen echt schönen Ritt hinter uns. Auf unserer Tour die erste Etappe über 500NM zu zweit. Hat super geklappt. Bordroutine ist eingespielt. Schlafrhythmus passt. Unser „Wohnmobil mit Stützsegel“, die BELUGA hat eine Superperformance abgeliefert. Schnell, zuverlässig, klöterfrei auch in den Schränken und auch bei über 2 mtr Seegang trocken segelnd. So langsam ist unsere BELUGA eine echte Wucht. Wir lernen sie täglich mehr zu schätzen, sie wird täglich mehr zum „Familienmitglied“. Nachdem unsere Heimat Baden-Württemberg mit dem Titel "THE LÄND" wirbt, beschliessen wir unsere BELUGA nach dieser Idee "s' BELUGÄLE" zu nennen. Wir schaffen das allerdings für ein bisschen weniger als 50 Mio :-))
Gute Vorsätze ...
Sabine und ich beschliessen: Das Erste was wir nach unserer Ankunft tun werden: Wir gehen in die Hafenkneipe uns saufen uns einen an. Gesagt getan: Sabine mit zwei Galau und ich hatte zwei Bier ?!?! Dann wurden die Augenlider schwer. Also zurück aufs BELUGÄLE und ausschlafen.
Ausgeschlafen und Zufrieden berichte ich heute aus Quinta do Lorde. Die Marina ist super freundlich. Der formale Check in auf Madeira wird von der Marina bewältigt, das Personal ist mehrsprachig. Wäre nicht das Dinghy kaputt, hätten sie uns per Dinghy sogar zum Liegeplatz gebracht. So helfen sie eben „nur“ beim Anlegen. Sehr empfehlenswert ! Wichtig dabei: Ihr solltet reservieren ! Und zwar einige Tage im Voraus. Die Marina ist sehr gefragt und nicht sehr groß. Daher je früher desto besser.
... und wie gehts weiter ?
So wie es aussieht werden wir bereits am Dienstag weiter auf die Kanaren segeln müssen. Laut Wetterbericht soll ab Freitag Südwind dominieren. Echt blöd, wenn man nach Süden will. Die Welle wird mit weit über 3mtr vorhergesagt. Gegenan knüppeln bei dieser Welle ist nicht unsere Zielsetzung. Diese Wetterlage soll dann für mindestens 7 Tage so – oder so ähnlich - bestehen bleiben. Das gibt Madeira und Quinta do Lorde nicht her. Daher: „Leinen los“ bereits am Dienstag, damit wir die ruhigeren Kanaren noch bis Donnerstag erreichen. Aber bis dahin kann sich Wetter gerne auch nochmals ändern. Siehe Cascais. Also ruhig Blut und Wetterprognosen beobachten. Die Prognosen der Wetterwelt haben uns noch nie im Stich gelassen. Im Gegenteil sehr präzise und sehr genau: Sie hatten den einsetzenden Wind am Dienstag auf 30min genau vorhergesagt ! Was für eine Leistung. Und nun noch der „Schwabenanteil“: Die Bewölkung war ein bisschen dichter als vorhergesagt. Der Schwabe muss halt immer was zu meckern haben und gibt’s nix, dann sucht er was :-)) Im Ernst: Diese Vorhersagen sind jeden Cent wert und manchmal auch ein bisschen mehr !
In diesem Sinne: Viele Grüße von Madeira und
Bleibt uns gewogen !
Sabine & Ralph