Einige Tage nachdem wir unsere Power-Wanderung hinter uns gebracht haben, suchen wir eine gemächliche Wanderung in unserer gomerischen „Mapa de Senderos“ = Wanderkarte. 1,5h Wanderung mit 3,5km Strecke durch den Lorbeerwald scheint uns ein geeignete Therapie für unseren Muskelkater. Die Wanderung (#21) führt von Chipude (einem Busstop) über Los Manantiales und den Alto de Garajonay bis zur Bushalte in Pajarito. Diese Route wird beschrieben als „Eine einfache Wanderung auf der man ein malerisches Dorf durchquert, sich am Lorbeerwald erfreuen kann und auch den Gipfel der Insel genießt“. Sie ist „GRÜN“ gekennzeichnet. Mit 1h 30min, 3,5km und 400mtr Höhenunterschied zwischen Start und Ende sollte das Ganze auch nicht allzu anstrengend werden.
So starten wir am 4.7.2023 um 10:30 beim Buslinie 1 am „Intercambiador“ von San Sebastian de la Gomera. Knapp 60 Minuten später verlassen wir den Bus im Ort Chipude. Endlich ein Halt, bei der man im Kaffee starten kann, was wir auch tun: Bei Caffe con Leche und Cortado. Danach geht los. Wir haben diesmal allerdings alle Kopfbedeckungen und ausreichend Wasser dabei, schließlich sind wir lernfähig !
Wir lernen aus dieser Wanderung erneut kennen, dass die Kilometer in DE und die aus Gomera offensichtlich ein anderes Maß haben. Nach ca. 3 Kilometer haben wir noch immer keinen einzigen Baum gesehen, der uns Schatten spenden konnte – geschweige denn einen Wald ?!? Wir prüfen unsere Strecke und vergleichen unseren Standort auf der Wanderkarte mit Google Maps. Alles im Plan: Wir sind auf exakt der richtigen Strecke. Wegen unseres „Blümchen-Pflück“-Tempos allerdings zwischenzeitlich erneut in der Mittagshitze. Zwischenzeitlich haben wir die 400 Höhenmeter bestimmt zum zweiten mal erreicht … war ja nur zwischen Start und Ende die Rede :-)
Nach ca. 3h Stunden finden wir den Lorbeerwald und die erste Routentafel sowie -kennzeichnung auf unserem Weg. Wir sind endlich im Nationalpark „Garajonay“. Wir sind richtig, allerdings lesen wir zum zigsten mal dass unser Ziel noch immer 3,5km entfernt sein soll. Auch entnehmen wir der Tafel auf unserem Weg, dass von unserem Standort zum Alto de Garajonay nochmals 3,5km fällig sind und nahezu 1000 Höhenmeter bis oben. Das wollen wir uns auf dieser „ruhigen Wanderung“ eben nicht antun. Zumal vom Gipfel zur Bushalte mindestens nochmals 4km Abstieg fällig sind … zumindest 4 „gomerische Kilometer“. Da bei dieser Strecke dann die Zeit für den letzten Bus auch eher knapp werden würde, beschliessen wir, so eben und schnell als möglich zu unserem Ziel zu laufen. Teilweise müssen wir auch die GM-2 (eine von 3 Hauptstraßen der Insel) benutzen. An Warnschildern „SENDEROS-HIKER-WANDERER“ erkennen wir, dass dies hier sehr häufig zu passieren scheint.
Nach insgesamt 4,5 Stunden und weit über 9km Wegstrecke war unser Ziel dann endlich erreicht. Eine echt „leichte 1,5h Strecke“ :-( Unser heutiger Lerneffekt: Alle Strecken auf unserer Wanderkarte werden wir in Sachen Dauer und Distanz verdoppeln. Das kommt der Wahrheit wohl am nächsten und bringt das gomerische Maß auf das deutsche.
Aufgrund unserer „Abkürzung“ sind wir frühzeitig an der Bushalte. Allerdings besteht die Bushalte in Pajarito nur aus Bushalte ! Kein Haus, kein Kiosk oder Kaffee :-( Enttäuschung ! … und wir müssen noch 2h auf den Bus warten. So teilen wir uns das Bushäuschen mit der einheimischen Wespenart, die sich unter dem Dach gerade ein Nest bauen. Alternative: Raus aus dem Bushäuschen … in die pralle Sonne … eher NEIN.
Pajarito ist eine zentrale Kreuzung in Gomeras Bergen – sonst aber nichts ! So sehen wir den gesamten Inselverkehr an uns vorbei fahren. Als ein Taxi hier vorbei will, winken wir und beschliessen die restlichen 20km bis San Sebastian mit dem Taxi zu bewältigen. Es sollte sich als Glücksgriff herausstellen: Der Fahrer hatte eine deutschsprachige Lektion über Gomera und über die spezielle Kommunikation Silba eingelegt. Er erklärte uns die vielen Felszähne links und rechts des Weges. Als Beispiel nennen die Gomeros die Berge „Gorilla“, „Kamel“ und „Sombrero“ statt ihrer offiziellen Namen. Er erklärt uns die Namensherkunft und nebenbei auch El Silbo. Eine Pfeifsprache, die auf Gomera auch in der Schule gelehrt wird und zur Kommunikation über grosse Distanzen (von Berg zu Berg) dient. Wir erhalten auf der Taxifahrt eine „Grundausbildung“ in Silba. Allerdings kann ich keine wesentlichen Unterschiede erkennen. Für mich pfeift sich „Mein Name ist Ralph“ fast gleich wie „un, dos, tres“ oder "Spaghetti Bolognese". Naja, ist halt ne eigene Sprache, die gelernt werden will.
In diesem Sinne aus unserer Heimat BELUGA: Bleibt uns gewogen ...
Sabine & Ralph